Forschung

Forschen für ein nachhaltiges Management von natürlichen Ressourcen: Das ZEF/UNESCO-Projekt im Aralseebecken in Usbekistan

Eine ökologisch nachhaltige und ökonomisch effiziente Nutzung von natürlichen Ressourcen sowie die Bekämpfung der Armut sind wichtige Entwicklungsziele für Usbekistan, ein Land mit riesigen, von Umweltzerstörung bedrohten Flächen. Ein Pilotprojekt unter Leitung des Zentrums für Entwicklungsforschung der Universität Bonn (ZEF) zur Umstrukturierung der Land- und Wassernutzung in der Region Khorezm soll dazu beitragen, der Bodendegradierung entgegenzuwirken und die Lebensbedingungen in der Region zu verbessern. Wichtiger Bestandteil des Projekts ist die Unterstützung der Verantwortlichen und Ausbildung von Nachwuchskräften vor Ort.

Zielregion und Problemdefinition

Khorezm ist eine im Nordwesten Usbekistans gelegene Region am Amu Darya Fluss, dem größten Zufluss zum Aralsee. Die Region hat trotz ihres bescheidenen Umfangs (0,3 Millionen Hektar, 1,3 Millionen Menschen) Modellcharakter für Entwicklungskonzepte, die langfristig auf die gesamte Aralseeregion übertragbar sind. Das gesamte Aralseebecken hat eine Fläche von etwa fünf Millionen Hektar und wird von 20 Millionen Menschen bewohnt.

Während der Sowjetzeit war Usbekistan einer der größten Baumwollproduzenten weltweit. Auch nach der Unabhängigkeit (1991) ist die Landwirtschaft der wichtigste Wirtschaftssektor des Landes, der etwa 30% der Erwerbstätigen beschäftigt. Die usbekische Regierung strebt eine unabhängige Ernährungsversorgung an, und hat die Weizenproduktion drastisch gesteigert. Im Jahre 2006 wurde auf etwa 70% der gesamten Agrarfläche in Usbekistan mit Hilfe von Bewässerungslandbau Weizen und Baumwolle angebaut.

Trotz mehrerer Landreformen, die seit der Unabhängigkeit durchgeführt wurden, übt der Staat nach wie vor eine strikte Kontrolle über die Agrarproduktion aus. Während Baumwolle und Weizen mit festgelegten Abgabequoten versehen sind, werden vor allem für Baumwolle Investitionen wie Dünger nur noch teilweise staatlich subventioniert. Somit sehen sich die Landwirte mit steigenden Produktionspreisen konfrontiert. Gleichzeitig basiert das Management von Wasser, Böden und Agrarressourcen meist auf veralteten Daten und sowjetischen Methoden. Darüber hinaus erschwert das staatlich kontrollierte Wirtschaftssystem ein schnelles Reagieren auf Marktänderungen.

Die nach der Unabhängigkeit in die Privatwirtschaft entlassenen Landwirte wurden oft nicht angemessen auf ihre neue Aufgabe vorbereitet. Meist wissen sie nicht wie sie natürliche Ressourcen auf nachhaltige Weise für die Agrarproduktion nutzen können. Der Zusammenbruch des ehemaligen Kolchosesystems hat außerdem ein Vakuum hinterlassen, wo früher landwirtschaftliche Dienstleistungsorganisationen wie beispielsweise Beratungs- und Ausbildungsstellen sowie ländliche Mikrokreditanstalten agierten. 

Demographisches Wachstum, politische und ökonomische Entwicklungen sowie Klimawandel erhöhen den Druck auf die Ressource Wasser, nach wie vor die Schlüsselressource für die Agrarproduktion. Dies beeinträchtigt die Effizienz und Rentabilität von Land- und Wassernutzung erheblich, denn degradierende Böden und schwindende Wasserressourcen bilden keine solide Basis für eine wirtschaftlich effiziente und ökologisch nachhaltige ländliche Entwicklung.

Projektziele

Das übergreifende Ziel des Projekts ist es, die wirtschaftliche Effizienz des Agrarsektors zu erhöhen und gleichzeitig die ökologischen Servicefunktionen der Natur nachhaltig zu erhalten. Der Forschungsansatz des ZEF setzt bei der Suche nach Lösungen für die Probleme in der Region auf drei Ebenen an:

  • „Decision Support“ (Entscheidungshilfen) für eine verbesserte Landwirtschaftspolitik auf nationaler und regionaler Ebene;
  • institutionelle Reorganisation für die nachhaltige Nutzung von natürlichen Ressourcen;
  • die Entwicklung von Technologien für ein verbessertes Land- und Wassermanagement.

Diese Ziele können nur mit einem trans-disziplinären Forschungsansatz erreicht werden. Das bedeutet, dass Natur- und Sozialwissenschaftler sowie Ökonomen eng mit einander zusammenarbeiten und die lokalen Partner bei der Ausarbeitung von Lösungskonzepten mit einbeziehen. Ein wichtiges weiteres Ziel des Projekts ist der Aufbau von Humankapazitäten. Das Projekt hat daher viele Ressourcen in die Ausbildung von (usbekischen) Nachwuchswissenschaftlern und in den Aufbau von institutionellem „know how“ in der Region investiert.

Anwendung und Ergebnisse

Die Einführung des freien Marktes: Keine einfachen Lösungen
ZEF’s integrierte Forschung hat gezeigt, dass es keine einfachen Schulbuchlösungen für die komplexen Probleme im Aralseebecken gibt. So haben Ökonomen im Projekt festgestellt, dass scheinbar einfache Lösungen manchmal unvorhersehbare Konsequenzen haben. Zwar reguliert beispielsweise das vom Staat kontrollierte Wirtschaftssystem weitgehend die Produktionsmodalitäten von Weizen und Baumwolle, fungiert aber gleichzeitig als Subventions- und Risikominderungsstrategie für die Landwirte. Die Chancen von politischen Interventionen wie die Einführung von Wassergebühren oder eines freien Marktes müssen daher sorgfältig gegen die Risiken abgewogen werden, bevor solche Maßnahmen umgesetzt werden.

Wasser
Die Wissenschaftler im Projekt arbeiten auch an der Verbesserung von Bewässerungsmethoden, um damit die ökologische Nachhaltigkeit der Landwirtschaft in Khorezm zu optimieren und die Wasserverschwendung einzudämmen. Ein Ergebnis der Forschung war, dass das offensichtliche, technische Problem der Bodenversalzung, d.h. eine nicht angemessen funktionierende Drainage, auch eine sozio-ökonomische Ursache hat. Der Grund hierfür ist die schlecht kalkulierbare Verfügbarkeit von Bewässerungswasser für den einzelnen Landwirt. Dies ist also primär ein Verteilungsproblem auf der institutionellen und Managementebene. Basierend auf dieser Schlussfolgerung haben die Wissenschaftler eine Reihe von integrierten Maßnahmen entwickelt, um die Bodenversalzung und -degradierung in Angriff zu nehmen und solche Flächen wieder urbar zu machen. Diese Maßnahmen schließen sowohl technologische Optionen als auch institutionelle Managementfragen zu beispielsweise Wassernutzerorganisationen ein.

Boden
Bodenschonende Landwirtschaft und Wiederaufforstung sind wichtige Bestandteile der oben erwähnten technologischen Maßnahmen. Aber auch der Anbau von alternativen Kulturarten und die Integration von Bäumen in der derzeitigen Fruchtfolge von Baumwolle, Weizen und Reis gehören dazu. Wissenschaftler im Projekt haben eine Technik entwickelt, die lokale Baumsorten auf stark versalzenen Böden schnell wachsen lässt. Wiederaufforstung kann somit eine „win-win“-Lösung sein, die sowohl den Landwirten wie auch der Umwelt nutzen könnte.

GIS-Datenbank
Für eine wissenschaftlich solide Basis haben unsere Forscher detaillierte Karten von der Region entwickelt, die alle wichtigen Merkmale enthalten:

  • Boden,
  • Grundwasser,
  • Pflanzen- und Baumbewuchs,
  • Landnutzung,
  • wirtschaftliche und soziale Indikatoren.

Zur Zusammenstellung und Verarbeitung dieser Daten wurde im Projektgebäude in Urgench ein GIS-Labor (Geographic Information Systems) eingerichtet. Die weitumfassende Datenbank dieses Labors dient den Verantwortlichen und Wissenschaftlern vor Ort als Grundlage für Managemententscheidungen zu Wasser, Vegetation, Landnutzung und Bodenversalzung. Basierend auf Fernerkundungsdaten von Satellitenbildern als auch Feldmessungen  mit Spektrometern entwickeln Kollegen des DLR (Deutsches Zentrum für Luft- und Raumfahrt) und des CIMMYT (International Maize and Wheat Improvement Center, Mexico) außerdem Instrumente, mit denen die Ernte von Baumwolle, Weizen und anderen Kulturen vorhergesagt werden kann.

Capacity Building (Stand Mitte 2007)
Über 80 internationale Wissenschaftler sind im Projekt involviert. Inzwischen haben 33 Studenten einen Bachelor and 46 einen Master in Science Studium erfolgreich absolviert. Zehn von 23 Doktorstudenten im Projekt haben ihren Doktortitel erhalten, sechs von ihnen kommen aus Usbekistan. Ein modernes Bürogebäude mit dem oben erwähnten GIS Labor wurde mit Unterstützung von der UNESCO auf dem Campus der Universität von Urgench eingerichtet. Diese Infrastruktur bildet eine optimale Basis für den Aufbau von regionalen  Führungskräften.

Partner
Die Zusammenarbeit mit den lokalen, regionalen und nationalen Entscheidungsträgern in Usbekistan ist essentiell für die Erreichung und Umsetzung der Projektziele. Das Projekt ist das größte wissenschaftliche Kooperationsprojekt in Uzbekistan. Wichtige Partner vor Ort sind

  • die Staatsuniversität von Urgench (UrSU),
  • der Gouverneur (hakim) von Khorezm, sowie
  • das usbekische Ministerium für Landwirtschaft und Wasserressourcen.

Das Projekt wird vom BMBF gefördert und von der UNESCO sowie dem Deutschen Akademischen Austauschdienst (DAAD) unterstützt. Ein wichtiger Kooperationspartner auf deutscher Seite ist das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR).

Perspektiven

 

Von 2007 bis 2011 läuft die dritte Projektphase . Das übergreifende Ziel in dieser Phase ist es, eine Reihe von alternativen Strategien, institutionellen Arrangements und integrierten Technologien zu entwickeln.

Diese werden in ein neues Landnutzungskonzept einfließen, das ein wirtschaftlich und ökologisch verbessertes Ressourcenmanagement ermöglichen soll. Dieser Restrukturierungsprozess soll nach dem formalen Projektabschluss von den lokalen Partnern und Entscheidungsträgern in Khorezm weitergeführt und -entwickelt werden. Zur Vorbereitung auf diesen Übergang wird das ZEF in der letzten Phase besonders die Universität von Urgench auf diese Führungsrolle vorbereiten. Um diese Rolle erfüllen zu können, soll die Universität nicht nur eine führende wissenschaftliche Institution in der Region sein, sondern auch Expertise als Beratungsinstanz für ländliche Entwicklung aufbauen. Andere lokale Akteure sowie die Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) sollen auch in diesen Prozess mit einbezogen werden. Auf diese Weise kann das Projekt Modellcharakter für andere Projekte in Zentralasien haben.

Ansprechpartner

  • Zentrum für Entwicklungsforschung (ZEF)

    • Dr. Ahmad M. Manschadi, wissenschaftlicher Koordinator in Bonn
    • Walter-Flex-Str. 3
    • 53113 Bonn
    • Telefonnummer: +49 288 73-4926
    • Faxnummer: +49 228 73-1889
    • E-Mail-Adresse: manschadi@uni-bonn.de
  • Zentrum für Entwicklungsforschung (ZEF)

    • Dr. John P. A. Lamers, Projektkoordinator in Usbekistan
    • 14 Khamid Alimjan Street Khorezm
    • 220100 Urgench, Uzbekistan
    • Telefonnummer: +998 362 2262-119
    • Faxnummer: +998 362 2243-347
    • E-Mail-Adresse: j.lamers@zef.uzpak.uz