Forschung

Integriertes Wasserressourcen-Management im Unteren Jordan Tal

Das Gesamtziel des Forschungsprojektes SMART ist die Erarbeitung eines übertragbaren Ansatzes für ein Integriertes Wasserressourcen Management in der Wassermangelregionen Unteres Jordan Tal. Hierbei stehen folgende Fragen im Mittelpunkt: Wie können das verfügbare Wasserdargebot und die Wasserqualität im Einzugsgebiet des Unteren Jordan nachhaltig gesteigert werden ohne, dass lebendige Ökosysteme geschädigt und das soziale Wohlergehen der Bevölkerung beeinträchtigt wird? Welche innovative Techniken, Entscheidungshilfesysteme und Managementstrategien sind für eine nachhaltige Nutzung der Wasserressourcen sinnvoll und erfolgreich anwendbar?

Rahmenbedingungen

Das Untersuchungsgebiet liegt im Nahen Osten und schließt Teile Israels, Jordaniens und der palästinensischen Westbank mit ein. Es erstreckt sich vom See Genezareth im Norden bis zum Toten Meer im Süden und umfasst das Teileinzugsgebiet des Unteren Jordan mit einer Fläche von rund 5000 km2. Es beinhaltet das 8-15 km breite Jordan Tal und auch die Gebirgshänge - die Grabenflanken - welche das Tal zu beiden Seiten begrenzen und durch tief eingeschnittene Wadis gegliedert sind.

Im Unteren Jordan Tal herrscht ein überwiegend arides Klima mit Jahresniederschlägen zwischen 50 – 150 mm und einer potentiellen Evaporation von bis zu 2.600 mm pro Jahr.
Die Grundwasserneubildung findet fast ausschließlich in den Höhenlagen der westlichen und östlichen Grabenflanken statt.

Das Einzugsgebiet ist durch extreme Wasserknappheit, starke Übernutzung der vorhandenen Ressourcen sowie ein starkes Bevölkerungswachstum gekennzeichnet. Die Wasserentnahmen aus den Grundwasserleitern übersteigen die Summe der Grundwasserneubildung mit der Konsequenz sinkender Grundwasserstände und trocken fallender Brunnenanlagen.

Die ursprüngliche Gesamtwasserführung des Unteren Jordan von rund 650 Mill. m³ pro Jahr hat zudem deutlich nachgelassen da große Mengen aus dem See Genezareth und dem Yarmouk River über das Kanalsystem des israelischen National Water Carrier zur Küstenebene abgeleitet werden.

Die heute in das Tote Meer einmündende geringe Restwassermenge resultiert weitgehend aus Salz- und Brackwasserquellen sowie den Ableitungen kontaminierter Abflüsse aus den Bewässerungsanlagen oder Rückflüsse aus der landwirtschaftlichen Bewässerung und ist für die weitere Nutzung nicht mehr geeignet.
Umweltbelastungen resultieren vor allem aus den freien Abflüssen von unaufbereiteten Abwässern.

Die ökonomischen Hauptaktivitäten im Jordan Tal, in allen drei Teilgebieten der Anrainer Israel, Jordanien und Palästina, liegen im Moment und in absehbarer Zukunft in der verstärkten landwirtschaftlichen Entwicklung der Region.
Die Region hat daher aus heutiger Sicht nur dann eine Chance zur Entwicklung, wenn zusätzliche Süßwasserressourcen geschaffen werden.

Zielsetzung des SMART Projektes

SMART ist ein multilaterales, interdisziplinäres Forschungsprojekt, bestehend aus einem Kernteam von siebzehn Partnern aus Behörden, Universitäten und Forschungseinrichtungen, entscheidungsrelevanten Institutionen in der Zielregion (Wasserministerien, Wasserversorgungsunternehmen), Firmen und externen Experten aus Deutschland, Israel, Jordanien und Palästina.

Das übergeordnete Ziel des SMART-Projektes ist es, ein Konzept für ein integriertes Wasserressourcen-Management (IWRM) im Einzugsgebiet des Unteren Jordan Tals zu entwickeln um die dort zur Verfügung stehende Menge an Wasser signifikant zu erhöhen. Dabei sollen alle verfügbaren Wasservorkommen des Untersuchungsraumes miteinbezogen werden, einschließlich des Grundwassers auch aufbereitetes Abwasser, Salzwasser und Flutwässer. Dies bedarf der Erkundung und Bewertung von Wasservorkommen, die bisher für eine Nutzung aus qualitativen Gründen oder aufgrund fehlender Speichermöglichkeiten nicht in Frage kamen. In Abhängigkeit von der weiteren Verwendung und den lokalen Gegebenheiten sollen hierfür geeignete Aufbereitungstechniken ermittelt sowie Lösungsmöglichkeiten zur Zwischenspeicherung entwickelt werden. Diese Anwendbarkeit innovativer Technologien, Modellkonzepte und Monitoringstrategien  wird in zahlreichen Testgebieten im Jordan Tal und den angrenzenden Grabenschultern erforscht (Abb.2). Neben der Implementierung  und Auswirkung von infiltriertem, aufbereitetem Abwasser und Flutwässern, wird eine Demonstrationsanlage zur Abwasseraufbereitung westlich von Amman in Jordanien gebaut. Wasserqualitäts- und Haushaltsstudien und numerische Grundwassermodellierungen liefern hierbei eine wichtige Grundlage für spätere Managementstrategien. Ein Team von Sozioökologen untersucht die sozio-ökonomischen Rahmenbedingungen und Bedürfnisse  im Jordan Tal, vor allem in Hinblick auf das Marktpotential innovativer Technologien und der Akzeptanz gegenüber der Nutzung aufbereiteter Abwässer.

Im Rahmen von SMART werden Erkenntnisse aus getrennten Wissensfeldern und Denktraditionen (z.B. Abwasser, Grundwasser, Sozioökonomie) sowie aus unterschiedlichen Staaten zusammengeführt. Die komplexen Ursache-Wirkungsbeziehungen werden mit Berücksichtigung von modifizierten DPSIR-(Drivers, Pressures, States, Impact and Responses) Konzepten im Rahmen eines Entscheidungshilfesystems dargestellt. Soweit möglich, wird eine detaillierte Bewertung verschiedener Entwicklungsszenarien des unteren Jordan Tals vorgenommen, wobei ein Schwerpunkt auf der Einführung innovativer Technologien und der Abschätzung ihrer Folgewirkungen liegt. 
Im Unterschied zu vergangenen Projekten werden alle zur Verfügung stehenden Informationen in einem modernen Wissensmanagementsystem erfasst und den unterschiedlichen Nutzergruppen über internetbasierte Lösungen zugänglich gemacht.

SMART Projektziele im Überblick:

  • Entwicklung eines integrierten Wasserressourcen-Management Konzepts  (IWRM) für das unter Jordan Tal mittels eines multidiziplinären Ansatzes
  • Die Einbeziehung aller verfügbaren Wasserressourcen
  • Die Anwendung innovativer Techniken zur Abwasseraufbereitung und künstlichen Grundwasseranreicherung
  • Berücksichtigung und Evaluierung der spezifischen sozialen, ökonomischen und ökologischen Bedingungen und Einflüsse auf die Möglichkeiten Entwicklung von Wasserressourcen
  • Nutzen und Anwendbarkeit von alternativen Technologien für eine nachhaltige Wassernutzung
  • Entwicklung von geeigneten und durchführbaren Betriebs- und Finanzierungsmodellen
  • Integration der geeigneten Technologien und Betriebsmodellen in existierende institutionelle  und administrative Prozesse zum Wasserressourcen-Management
  • Steigerung des Bewusstseins und des Wissenstransfers durch Bildung institutioneller und persönlicher Kapazitäten (capacity building) für zahlreiche verschiedene Nutzergruppen auf lokaler, regionaler und  nationaler Ebene
  • Entwicklung eines Entscheidungshilfe-Systems als flexibles Werkzeug um die Rolle von Wasser im Rahmen einer nachhaltigen Entwicklung zu optimieren
  • Definition von Schlüsselfaktoren und Bereitstellung einer umfassenden Wasserressourcen-Management Wissendatenbank für Entscheidungsträger in semiariden Regionen

SMART resultiert aus einer gemeinsamen Beantragung dreier deutscher Forschungseinrichtungen (Universität Karlsruhe, Universität Göttingen, Umweltforschungszentrum Leipzig). Innerhalb dieses Gremiums agiert die Universität Karlsruhe als Hauptkoordinator. In der Zielregion sind die wichtigsten Projektpartner zunächst die entscheidungsrelevanten Institutionen des Ministeriums für Wasser und Bewässerung (MWI) in Jordanien, des staatlichen israelischen Wasserversorgungsunternehmens MEKOROT, sowie auf palästinensischer Seite die Palestinian Hydrological Group die wiederum eng mit der palästinensischen Wasserbehörde (PWA) zusammenarbeitet. Wesentlich für die Umsetzung des Forschungsaspektes sind lokale Universitäten und Forschungseinrichtungen.

Lösungsansätze

Innerhalb des SMART-Projektes werden spezielle Fragenkomplexe zuerst in hierfür besonders geeigneten kleineren Teileinzugsgebieten bearbeitet. Die Anwendbarkeit innovativer Technologien, Modellkonzepte und Monitoringstrategien wird anhand mehrer Fokusgebiete und Demonstrationsanlagen untersucht die dann in einem folgenden Schritt auf das gesamte Einzugsgebiet des Unteren Jordan Tals übertragen werden können. Soweit möglich, wird eine detaillierte Bewertung verschiedener Entwicklungsszenarien des unteren Jordantales vorgenommen, wobei ein Schwerpunkt auf der Einführung innovativer Technologien und der Abschätzung ihrer Folgewirkungen liegt.

Die methodisch-thematischen Schwerpunkte, Arbeitsziele und Methoden sind in Arbeitspaketen (WP: Work Packages) festgelegt (Abb.3).

Die Arbeitsziele sollen mithilfe einer multilateralen, interdisziplinären Forschungsgruppe aus Wissenschaft und Industrie unter Einbeziehung lokaler NGO und Fachbehörden erreicht werden. Das IWRM soll auf der Basis von naturwissenschaftlichen, ingenieurtechnischen sowie sozioökonomischen Untersuchungen zu einer effizienteren Nutzung knapper Wasserressourcen sowie zur Implementierung effektiverer Lösungsstrategien und Management Tools beitragen. Dafür werden eine Wasserressourcenmodellierung, sowie die Adaption existenter und die Entwicklung neuer technischer Lösungen beitragen. Dieses IWRM soll im Untersuchungsgebiet einen selbsttragenden IWRM Prozess in Gang setzen, der auch nach Beendigung des Projektes anhält. Ziel ist eine deutliche Minderung der Wassermangelsituation, wodurch eine Verbesserung der allgemeinen Entwicklung in der Region resultieren kann. Diese integrative Art der Durchführung eines Wassermanagementsystems ist neuartig und es kann auf keinerlei Erfahrung über ein funktionierendes IWRM in ariden Gebieten zurückgegriffen werden. Daher besteht weltweit ein erheblicher Forschungsbedarf. Für die Umsetzung dieses IWRM werden neue Technologien notwendig. Daher besteht für die deutsche Industrie die Möglichkeit sich durch Adaption vorhandener Verfahren und Systeme, bzw. durch deren Weiterentwicklung, global neue Märkte zu erschließen. Um Entwicklungsziele zu erreichen und die spezifischen Herausforderungen nationaler Wasserversorgung anzupacken müssen gerade in Ländern der ariden Klimazone erhebliche Investitionen in hydrogeologische Raumkenntnisse und Wasserinfrastruktur geleistet werden. Des Weiteren muss ständig versucht werden das umfassende Management der Wasserressourcen zu verbessern. Mit einer Planung, die neben natürlichen, auch technische sowie sozioökonomische Aspekte berücksichtigt, können weit reichende Fehlentwicklungen gebremst bzw. vermieden sowie Kosten gespart werden. Dies ist Aufgabe eines IWRM.

Übertragbarkeit auf andere Regionen

Weltweit werden kostengünstige Verfahren zur Wasserver- und Abwasserentsorgung benötigt. Insbesondere die Landwirtschaft ist weltweit der größte Wasserverbraucher. Zusätzlich zu begrenzt vorhandenen Süßwasserressourcen fehlt weltweit in vielen Entwicklungsländern ein nachhaltige Wassermanagementkonzept, bei dem "Capacity Building" an oberster Stelle steht.

Die innerhalb des SMART Projektes erzielten Ergebnisse sollen in andere semi-aride Regionen mit grenzüberschreitenden Wasserressourcen übertragbar werden. Länder in diesen Regionen benötigen dezentrale Systemlösungen der Wasserver- und Abwasserentsorgung, die hygienisch unbedenkliches Wasser für Bewässerungszwecke mit niedrigen Betriebskosten bereitstellen. Wasserbehörden und andere Verwaltungen sind finanziell und personell unzureichend ausgestattet und an Ressortinteressen ausgerichtet. Die notwendige Koordination zwischen Umwelt- und Naturschutz und anderen Nutzungsansprüchen, zwischen Flächennutzungs- und Wassermanagement, die Beteiligung von gesellschaftlichen Gruppen etc. wirft in der Umsetzung viele Fragen auf.

Die innerhalb des SMART-Projektes angestrebte Aufbau von Beurteilungs- und Entscheidungskompetenz in den arabischen Anrainerstatten des Jordans, die Stärkung von personellen und institutionellen Kapazitäten soll sich auf das personelle, wissenschaftliche, technologische, organisatorische, institutionelle und finanzielle Potential des jeweiligen Landes beziehen, und übertragbar sein auf andere arabische Staaten bzw. auf  andere (semi-)aride Regionen mit ähnlichen Naturgegebenheiten.

Ansprechpartner

  • Prof. Dr. Nico Goldscheider

    • Karlsruher Institut für Technologie (KIT) , Institut für Angewandte Geowissenschaften
    • Adenauerring 20b
    • 76131 Karlsruhe
    • Telefonnummer: + 49 (0)721 60847610
    • E-Mail-Adresse: goldscheider@kit.edu
  • Karlsruher Institut für Technologie (KIT) - Institut für Angewandte Geowissenschaften - Hydrogeologie

    • Prof. Dr. Nico Goldscheider
    • Adenauerring 20b
    • 76131 Karlsruhe
    • Telefonnummer: +49 (0)721 608 43096
    • E-Mail-Adresse: goldscheider@kit.edu