Forschung

Konzepte für eine nachhaltige Entwicklung in wasserwirtschaftlichen Problemregionen an der Wolga und deren Nebenflüssen

Die Stabilisierung des wirtschaftlichen Wachstums in Russland erfordert eine nachhaltige Nutzung und Sicherung der Wasser- und erneuerbaren Energieressourcen z.B. entlang der Wolga, dem mit über 3.500 km längsten Fluss Europas. Dies gilt vor allem unter veränderlichen Bedingungen wie dem Klimawandel und tiefgreifenden Veränderungen, die die wirtschaftliche und gesellschaftliche Entwicklung Russlands derzeit prägen. Hierzu bedarf es der Anwendung effizienter Technologien für ein IWRM. Spezifische Anforderungen ergeben sich dabei für den Großraum Moskau - Nizhny Novgorod und weitere Teilräume in den Einzugsgebieten der Oka und Wolga.

Problemstellung

Mit einem Einzugsgebiet von 1,4 Mio. km2 und einem jährlichen Abfluss von ca. 254 km3 ist die Wolga nicht nur das größte, sondern auch eines der ökologisch wie ökonomisch bedeutendsten Flusssysteme Europas. Im Einzugsgebiet der Wolga leben etwa 40 % der russischen Bevölkerung. Etwa 50 % der russischen Landwirtschaft und rund 45 % der Industrie beziehen ihr Nutzwasser aus diesem Flusssystem. Durch den Ausbau der Wolga in eine Kaskade von 8 Staustufen kann die Wasserführung gezielt reguliert werden und der Strom zur Energiegewinnung und zur Bewässerung weiter Trockengebiete an Mittel- und Unterlauf genutzt werden. Zudem dient die Wolga in vielen Regionen als Rohwasserquelle zur Trinkwassergewinnung.
Hohe wirtschaftliche Wachstumsraten, tiefgreifende gesellschaftliche Veränderungen und der Klimawandel führen zu großen Herausforderungen für die russische Wasserwirtschaft. Dies gilt vor allem für urbane Agglomerationen wie den Großraum Moskau - Nizhny Novgorod. Dort sind die Nutzungsansprüche, aber auch die Risiken im Zusammenhang mit den Wasser- und Energieressourcen besonders hoch. Die Ver- und Entsorgungsprobleme des Großraums Moskau - Nizhny Novgorod, der von seinen naturräumlichen Gegebenheiten nur eine begrenzte Verfügbarkeit von Wasserressourcen bietet, sind nur in den Einzugsgebieten der Oka und Oberen Wolga lösbar. Die nachhaltige Gestaltung der zukünftigen sozioökonomischen Entwicklung dieser Gebiete erfordert die Beachtung vielfältiger Aspekte, von den naturgegebenen Randbedingungen auf Flussgebietsebene bis hin zur Erhaltung von wasserbaulichen Anlagen und Wasserversorgungssystemen.

Zielsetzung

Die geschilderte Situation und die Erkenntnisse aus einem vorangegangenen Projekt zum IWRM in Problemregionen der Wolga und des Rheins zeigen die dringende Notwendigkeit eines flussgebietsbezogenen IWRM mit besonderer Berücksichtigung urbaner Agglomerationen. Zu diesem Zweck werden auf interdisziplinärer wissenschaftlicher Grundlage umfassende und aufeinander abgestimmte Planungsinstrumente erstellt, die die Lösung komplexer wasserwirtschaftlicher Fragestellungen erlauben. Konkrete Ziele in diesem Zusammenhang sind die quantitative und qualitative Untersuchung, Sicherstellung und Verteilung verfügbarer Wasserressourcen sowie die schadlose Entsorgung von Abwässern. Je nach örtlichen Gegebenheiten sollen beispielsweise die Wasserversorgungsnetze urbaner Räume optimiert und der Hochwasserschutz verbessert werden. Dabei ist ein möglichst naturnaher Zustand der Gewässer als Teil des Lebensraums anzustreben, um neben deren ökologischer Funktion auch den sozioökonomischen Nutzen z.B. als Erholungsraum zu erhalten.

Lösungsansatz

Das deutsch-russische Kooperationsprojekt konzentriert sich auf zwei wesentliche Schwerpunkte, die nutzungsorientierte Wasserqualität und die nachhaltige Wasser- und Gewässernutzung. Im Schwerpunkt Wasserqualität wird systematisch die Flusswasserqualität von Moskwa, Oka und Wolga beprobt, um langfristige Veränderungen zu analysieren und Prognosen für zukünftige Entwicklungen treffen zu können. Hierzu gehört das Verhalten giftiger Schwermetalle ebenso wie das von Nährstoffen, insbesondere solcher die zu einer Überdüngung (Eutrophierung) führen können. Durch die Untersuchungen können unterschiedliche Situationen bezüglich Abflussentwicklung und Nährstoffeinträge in Oberflächengewässern erkannt werden. In diesem Zusammenhang stellt die Untersuchung der Sedimente der Flüsse einen wichtigen Aspekt dar, da ein Großteil der Nährstoffe und Schwermetalle im Sediment gebunden vorliegt. Zudem sollen beispielsweise die Auswirkungen einer schonenden Bodenbearbeitung bzw. einer veränderten Fruchtfolgegestaltung und daraus resultierende Nährstoffeinträge in Oberflächengewässer prognostiziert werden. Im Einzelnen gliedern sich die Arbeiten in drei Teilprojekte:

  • Wasserinhaltsstoffe und ihre Umsetzungen in der Wolga und ihren Nebenflüssen (Durchführung: DVGW-Forschungsstelle am Engler-Bunte-Institut an der Universität Karlsruhe (TH), Bereich Wasserchemie),
  • Mobilisierung von Schwermetallen und eutrophierungsrelevanten Nährstoffen aus den Oka-und Moskwa-Sedimenten und deren Einfluss auf die Wasserqualität (Institut für Umwelt-Geochemie der Universität Heidelberg),
  • Langfristige Sicherung der Trinkwasserversorgung im Wolga-Einzugsgebiet durch Charakterisierung der Umsatz- und Austragsprozesse von DOC unter besonderer Berücksichtigung der winterlichen Rahmenbedingungen (Department Bodenphysik des Helmholtz-Zentrums für Umweltforschung - UFZ).

Hinsichtlich der Wasser- und Gewässernutzung können mit den Ergebnissen und Modellen aus dem vorangegangenen Projekt zum IWRM bereits wesentliche Wirkungsketten eines Flusssystems von den hydrologischen Prozessen in den Einzugsgebieten über die Strömungsvorgänge in den Gewässern bis hin zum Einzelstandort einer wasserbaulichen Anlage quantifiziert werden. Darüber hinaus wurden mit einem Fokus auf urbane Räume weitere Anknüpfungspunkte zur Stoffstrommodellierung, zur Gewässerentwicklungsplanung, zum Management komplexer Wasserversorgungssysteme und zum GIS-basierten Umweltmonitoring definiert. Ein IWRM erfordert die Synthese der genannten Forschungsbereiche in dem hier beschriebenen Vorhaben, das sich in drei weitere Teilprojekte untergliedert:

  • Operationelle Modellierung der Wasser- und Stoffströme in Flussgebieten auf der Basis eines praxisorientierten Umweltmonitorings (Durchführung: Institut für Wasser und Gewässerentwicklung (IWG) der Universität Karlsruhe (TH),
  • Gewässerentwicklung und hydrodynamisch-numerische Gewässermodellierung (IWG),
  • Lebenszyklusmanagement wasserwirtschaftlicher Anlagen (Institut für Massivbau und Baustofftechnologie (IfMB) und IWG).

Die Durchführung der Teilprojekte findet in enger Kooperation mit Behörden und wissenschaftlichen Partnern von russischer Seite statt, um die transdisziplinäre Verwertung der Projektergebnisse in der Praxis der russischen Wasserwirtschaft zu gewährleisten:

  • Russisches Forschungsinstitut für Hydrotechnik und Melioration in Moskau (VNIIGIM)
  • Russische Akademie der Wissenschaften, Institut für Grundlagenprobleme der Biologie (IFPB)
  • Moskauer Staatliche Lomonossov-Universität (MGU)
  • Staatliche Universität für Umweltwissenschaften in Moskau (MSUEE)
  • Staatliche Universität für Architektur und Bauwesen in Nizhny Novgorod (NNGASU)
  • RusHydro AG (vormals HydroOGK AG) des russischen Energiekonzerns RAO EES

Perspektive 

Die Analytik der im Flusswasser enthaltenden Nährstoffe im Bezug auf deren Herkunft, Eintragspfade und Bindungsformen, liefert die Grundlage für Empfehlungen für eine zukünftige Verringerung einer möglichen Gewässereutrophierung, was ein generelles Problem in langsamfließenden Gewässern darstellt. Zudem ergibt sich ein vertieftes Verständnis der Bindung, Remobilisierung und Freisetzung von eutrophierungsrelevanten Nährstoffen und Schwermetallen aus Flusssedimenten durch Untersuchungen der Vorgänge an der Sediment-Wasser-Grenzschicht und die sie beeinflussenden Umgebungsparameter.
Mit den bereits vorliegenden Modellen und Erfahrungen von deutscher Seite sowie nach den erfolgten Abstimmungen mit den russischen Partnern hat das Vorhaben darüber hinaus sehr gute Perspektiven, einen wesentlichen Beitrag zur Implementierung eines IWRM für den Großraum Moskau - Nizhny Novgorod und für die Flussgebiete der Oka und Wolga zu erbringen. Fundierte, interdisziplinär aufeinander abgestimmte und regionalspezifisch optimierte Instrumente des IWRM können der russischen Wasserwirtschaft wertvolle Impulse geben und eine zuverlässige Planungsgrundlage für eine nachhaltige Entwicklung dieses Raums schaffen. Damit eröffnen sich zugleich weitergehende Perspektiven der deutsch-russischen Zusammenarbeit auf den Feldern der Energiewirtschaft und der Technologieentwicklung. Darüber hinaus bietet die Kooperation vielfältige Investitionsmöglichkeiten für deutsche Unternehmen auf dem russischen Markt. Durch die modulare Gliederung des Vorhabens ist die entwickelte Methodik sehr flexibel. Diese Anpassungsfähigkeit ermöglicht eine Anwendung in weiteren Regionen Russlands und in anderen Staaten.

Sprachversionen

Ansprechpartner

  • DVGW-Forschungsstelle an der Universität Karlsruhe (TH)

    • Prof. Dr. Dr. habil. F.H. Frimmel
    • Engler-Bunte-Ring 1-7
    • 76131 Karlsruhe
    • Telefonnummer: +49 721 608 2580
    • E-Mail-Adresse: fritz.frimmel@ebi-wasser.uni-karlsruhe.de
  • Universität Karlsruhe, Institut für Wasser und Gewässerentwicklung

    • Prof. h.c. Dr.-Ing. R. Krohmer (Projektkoordination)
    • Kaiserstr. 12
    • 76128 Karlsruhe
    • Telefonnummer: +49 721 608-3162
    • E-Mail-Adresse: Krohmer@iwg.uka.de